
Vom Cockpit bis ins Weltall – Wie eine Fliegeruhr Luft- und Raumfahrtgeschichte schrieb
Fliegeruhren sind seit über einem Jahrhundert weit mehr als bloßes Handgelenkszubehör. Sie sind Werkzeuge, konstruiert für präzise Navigation und Berechnungen: Flugzeit, Reichweite, Steig- und Sinkraten, Treibstoffverbrauch. Lange vor dem digitalen Zeitalter gehörten sie zur Standardausrüstung eines Piloten.
Damals überschritt die Zeitmessung eine Grenze – von der Luftfahrt in die unendlichen Weiten des Weltalls.
In den 1960er-Jahren erlebten mechanische Armbanduhren ihren nächsten evolutionären Schritt: Sie begleiteten die ersten Menschen ins All. Die berühmteste unter ihnen ist zweifellos die Omega Speedmaster, die Moonwatch, die Buzz Aldrin 1969 bei der ersten bemannten Mondlandung trug.
Doch auch die Breitling Navitimer hat Raumfahrtgeschichte geschrieben, nicht auf dem Mond, sondern im Orbit. Ihre Rolle ist vielleicht weniger bekannt, doch keineswegs weniger faszinierend: eine Fliegeruhr, die die Wolken hinter sich ließ.
Willy Breitling und die Geburt der Navitimer
Bereits 1952 stellte Breitling die erste Navitimer vor, ein Chronograph, der durch seine integrierte Rechenschieber-Lünette mehr war als nur ein Zeitmesser. Entwickelt auf Basis der Chronomat, erlaubte sie Piloten, unterwegs wichtige Berechnungen durchzuführen – etwa Geschwindigkeit, Verbrauch oder Sinkflugzeiten. Das funktionale Design und die Zuverlässigkeit machten die Navitimer schnell zum bevorzugten Instrument professioneller Flugzeugführer und legten den Grundstein für einen bis heute anhaltenden Mythos.
Die Mercury Seven – Amerikas erste Raumfahrer
Mit dem Wettlauf ins All rückten auch Zeitmesser in eine neue Rolle. Die NASA stellte 1959 ihre ersten sieben Astronauten vor: die Mercury Seven. Allesamt testflugerfahrene Militärpiloten, wurden sie zu Nationalhelden und Aushängeschildern für Technik, Mut und Pioniergeist. Zwei dieser Männer – Scott Carpenter und John Glenn – sollten auf ganz unterschiedliche Weise mit der Navitimer verbunden werden.
Die Mercury Seven – Amerikanische Helden und Raumfahrtpioniere

Scott Carpenter und die erste Navitimer im All
Im Mai 1962 startete Scott Carpenter an Bord der Aurora 7 in den Erdorbit. An seinem Handgelenk: eine speziell angepasste Breitling Navitimer Cosmonaut 809 mit einem 24-Stunden-Zifferblatt, entwickelt in direkter Zusammenarbeit mit Breitling. Im All, wo es keinen Tag-Nacht-Rhythmus gibt, war das eine logische Anpassung.
Die Uhr war mit dem Venus-178-Kaliber ausgestattet und verfügte über eine auffällig breite, geriffelte Lünette, die später unter Sammlern als „Wide Bezel“ bekannt wurde. Sie war nicht dekorativ, sondern rein funktional und machte die Uhr zum unverwechselbaren Werkzeug am Raumanzug. Mit diesem Flug wurde die Navitimer zur ersten Breitling im All.
DIe Breitling Navitimer Cosmonaut 809 im Jahr 1962

John Glenn – Mythos und Missverständnis
Bereits drei Monate vor Carpenters Flug schrieb John Glenn Geschichte: Am 20. Februar 1962 umrundete er an Bord von Friendship 7 als erster Amerikaner die Erde. Die Bilder seines Raumflugs gingen um die Welt. Glenn wurde zur nationalen Ikone und zum Gesicht der amerikanischen Raumfahrt. Doch welche Uhr begleitete ihn auf dieser Mission? Bis heute hält sich hartnäckig die Behauptung, Glenn habe dabei eine Breitling Navitimer getragen. Eine Vorstellung, die gut in die Erzählung der frühen Raumfahrt passt – aber historisch nicht belegt ist.
Weder in offiziellen NASA-Dokumenten noch in Glenns persönlichem Nachlass findet sich ein Hinweis auf eine Navitimer. Entstanden ist diese Legende wohl nur durch den engen zeitlichen Zusammenhang. Denn tatsächlich trug Glenn keine Breitling, sondern eine modifizierte Stoppuhr von Heuer, Modell 2915A – ein professioneller Chronograph mit zentralem Stoppzeiger und 12-Stunden-Zähler, befestigt an einem elastischen Armband über dem Raumanzug. Robust, funktional und präzise. Genau das, was die NASA für ihre erste bemannte Erdumrundung brauchte.
Die „Wide Bezel“ – Symbol einer Ära
Der Ursprung der häufigen Verwechslung liegt nahe: die Breitling Navitimer Cosmonaut 809 – ein Modell aus demselben Jahr wie John Glenns historischer Orbitflug, 1962. Mit ihrem tiefschwarzen Zifferblatt, der 24-Stunden-Anzeige und der charakteristisch breiten Lünette verkörperte sie jenes Spannungsfeld, in dem sich Raumfahrt und klassische Mechanik erstmals begegneten.
Auch wenn es keine dokumentierte Verbindung zwischen Glenn und dieser Uhr gibt, wird sie bis heute mit seiner Ära in Verbindung gebracht – nicht aufgrund belegter Fakten, sondern als Sinnbild für Technikvision, Mut und Aufbruchsstimmung.
DIe Breitling Navitimer B12 Chronographe 41 Cosmonaute im Jahr 2024

Im Jahr 2019 wurde genau ein solches Exemplar – eine hervorragend erhaltene Cosmonaut 809 mit „Wide Bezel“ – bei einer Auktion versteigert. Der Zuschlag: 156.250 US-Dollar. Damit avancierte sie zu einem der begehrtesten Navitimer-Modelle überhaupt. Was bleibt, ist eine Ikone mit symbolischer Strahlkraft: eine Uhr, die Glenn nie trug und doch wie kaum eine andere für seine Ära steht. Die Cosmonaut 809 ist längst mehr als ein Zeitmesser: Sie ist ein Zeugnis für mechanische Präzision im Angesicht der Unendlichkeit – zwischen Handwerk und Himmelsstürmern.
Zwischen Technik, Geschichte und Faszination
Die Breitling Navitimer ist mehr als ein Pilotenuhrklassiker. Sie ist ein Zeitdokument, gebaut für praktische Zwecke, getragen von Pionieren. Vom Rechenschieber für Flugberechnungen bis zum Symbol einer Ära zwischen Himmel und Weltall: Sie vereint Handwerk, Innovation und Abenteuerlust wie kaum ein anderes Modell. Ob im Cockpit oder im Orbit, die Navitimer hat Maßstäbe gesetzt. Und sie erinnert uns bis heute daran, wie weit man mit einer mechanischen Uhr kommen kann.
Die ersten Amerikaner im Orbit – John Glenn und Scott Carpenter

John Glenn – Der erste Amerikaner im Orbit
- Geboren: 18. Juli 1921, Ohio
- Gestorben: 8. Dezember 2016, Columbus, Ohio
- Mission: Friendship 7 (Mercury-Atlas 6), 20. Februar 1962
- Leistung: Umrundete als erster Amerikaner die Erde – dreimal in knapp 5 Stunden
- Uhr: Heuer-Stoppuhr Modell 2915A, befestigt am Raumanzug
- Später: US-Senator (1974–1999), ältester Mensch im All (STS-95 mit 77 Jahren)
- Breitling-Bezug: Oft fälschlich mit der Navitimer Cosmonaut 809 assoziiert – historisch nicht belegt
Scott Carpenter – Mit der Navitimer ins All
- Geboren: 1. Mai 1925, Boulder, Colorado
- Gestorben: 10. Oktober 2013, Denver, Colorado
- Mission: Aurora 7 (Mercury-Atlas 7), 24. Mai 1962
- Leistung: Zweiter Amerikaner im Orbit, erste Breitling-Uhr im Weltall
- Uhr: Breitling Navitimer Cosmonaut 809, mit 24-Stunden-Zifferblatt
- Besonderheit: Arbeitete direkt mit Breitling an der Anpassung der Uhr für den Weltraumeinsatz
- Später: Ozeanograph, Testpilot, Autor – technischer Visionär mit Forscherdrang bis ins hohe Alter
Astronaut Scott Carpenter auf seinem Weg ins Weltall

Im All, aber nicht im Orbit – wo liegt der Unterschied?
Als John Glenn 1962 an Bord von Friendship 7 zum ersten Mal die Erde umrundete, schrieb er Geschichte: Er war der erste Amerikaner im Orbit. Doch kurioserweise war er nicht der erste Amerikaner im All – diese Pionierleistung vollbrachte bereits ein Jahr zuvor Alan Shepard. Wie kann das sein?
Der Unterschied liegt in der Flugbahn, genauer gesagt zwischen einem suborbitalen und einem orbitalen Raumflug. Alan Shepard erreichte auf seinem historischen Flug mit der Freedom 7 eine Höhe von über 180 Kilometern und überwand damit klar die Grenze zum Weltall. Doch seine Mission dauerte nur 15 Minuten, er stieg steil auf und fiel in einer Art Bogenflug zurück zur Erde. Shepard war also im All, aber eben nicht im Orbit.
Alan Shepard und John Glenn: Der eine hat die Tür zum All aufgestoßen – der andere hat sie geöffnet und ist hindurchgegangen.
John Glenn dagegen erreichte nicht nur den Weltraum, sondern auch die nötige Geschwindigkeit, um die Erde zu umkreisen – rund 28.000 Kilometer pro Stunde. Damit blieb er für mehrere Stunden im All und absolvierte drei vollständige Erdumläufe. Erst mit dieser Kombination aus Höhe und Geschwindigkeit spricht man von einem Orbit.
Im allgemeinen Sprachgebrauch verschwimmen diese Begriffe oft, doch in der Raumfahrt trennt sie eine fundamentale physikalische Grenze. Wer ins All fliegt, hat die Erde verlassen. Wer in den Orbit gelangt, bleibt eine Weile dort. Und genau das machte John Glenns Flug zu einem echten Meilenstein.
Die John Glenn Story
140 Jahre Breitling – Navitimer 41 und Cosmonaute B12
Breitling würdigt zum Jubiläum seine Ikonen der Luft- und Raumfahrt